Testify

Erich Maria Remarque wird sich zwar im Grab umdrehen, aber sein Titel "Im Westen nichts neues" wurde von Testify einfach weggeblasen. Zwischen den Essener Stahlkochern und Zechen entwickelten Testify ihren harten Sound, der an Ministry und Die Krupps erinnert. Es gab also bereits ein musikalisches Brett vor Rammstein. Kompromißlos, hart und ohne Schörkel, hier tritt eine Band an, die es schafft, Maßstäbe zu setzen. Breite Gitarrenflächen, treibende Drums und eine Stimme, die einem wie Sandpapier den Rücken runterreibt. Testify sind ein weiteres Beispiel dafür, welchen hohen Qualitätsstandard die deutsche Musikszene mittlerweile erreicht hat. Radio Goethe sprach mit Sänger Myk:

Radio Goethe: Ihr kommt aus Essen, seht Ihr Eure Musik mit der Stahlkocherstadt Essen auf irgendeine Weise verbunden, mit anderen Worten, hat Euch eure Herkunft musikalisch geprägt?

Myk: Och, glaub´ ich eigentlich nicht. Vom Begriff "Industrial Metal" her passt wohl kaum eine andere Stadt besser zu diesem Genre; aber das is´ wohl nur ein Spiel mit der Oberfläche von Begriffen. Egal wo man lebt, man findet irgendwann Interesse an einer ganz speziellen Art von Musik, die einem mehr gibt als andere Spielweisen. Industrial Metal kannst du auch in Buxtehude lieben.

Radio Goethe: Ihr werdet immer wieder mit Bands wie Die Krupps und Ministry verglichen. Ist das für Euch Ansporn oder Hemmnis?

Myk: Der Vergleich mit den Krupps liegt wahrscheinlich am ehesten darin begründet, daß wir mit ihnen auf Tour waren. Wir sind im Laufe der Zeit so oft mit diesen Bands verglichen worden, daß wir inzwischen jenseits von Angepißtsein oder falschem Stolz sind. Der Vergleich mit Ministry allerdings war niemals eine große Überraschung für uns. Im Fahrwasser des damals sehr populären "Psalm 69" Album wurde auch unser Debütalbum veröffentlicht. Allerdings hatten wir mit der Arbeit daran schon begonnen, bevor "Psalm 69" das Genre Industrial Metal neu definierte.

Radio Goethe: Mit Rammstein wurden harte Gitarrenklänge in Deutschland vor wenigen Jahren salonfähig. Hat dieser Erfolg der Berliner Euch und Eurer Musik irgendwie weiter geholfen?

Myk: Der Sound von Rammstein, das Image, das sie transportieren, ist doch noch zu weit von Testify entfernt als daß deren Erfolg irgendeinen Einfluß auf unseren Werdegang gehabt hätte.

Radio Goethe: Warum singt Ihr auf Englisch und drückt das, was Ihr sagen wollt nicht auf Deutsch aus?

Myk: Wir haben uns in Seitenprojekten (wie zum Beispiel Nice Gods Bleed) der deutschen Sprache gewidmet - für Testify (wie auch für The Fair Sex) haben wir solches zwar erwogen, fanden aber immer wieder die englische Sprache adäquater. Sie schien uns besser zu den Soundkonstrukten zu passen; andauernd kamen uns lediglich englischsprachige hooklines in den Sinn. Ein intuitiver Vorgang.

Radio Goethe: Ihr seid bei VanRichter Records veröffentlicht, einem Indie-Label in Südkalifornien. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Myk: Die ersten Testify-releases kamen auf Our Choice/ Rough Trade in Deutschland heraus. Van Richter Records traten an Rough Trade heran, um Lizensierungen für die USA zu erreichen. Unsere Liason mit Rough Trade ist längst beendet, unsere Zusammenarbeit mit Van Richter blüht immer noch.

Radio Goethe: Es heißt immer wieder, Bands wie Faust, Einstürzende Neubauten und auch die Die Krupps hätten das Industrial Genre massiv geprägt. Wie seht Ihr das und wer hat Euch beeinflußt?

Myk: Ministry, sonst keiner. Har, kleiner Scherz. Tatsächlich kamen so viele Ministry-Vergleiche, daß wir, als es galt, Songmaterial für unser neuestes Album "Triviality Beyond Acceptance" zusammenzustellen, der Idee verfielen: "OK - jetzt machen wir mal einen richtigen Ministry-Hommage-Titel!" Heraus kam "Abuser´s Gabble". Ein guter Ministry-Song!... Im Ernst: Natürlich gab es auch andere Bands, die uns beeindruckten. Skrew, zum Beispiel, oder Godflesh, oder Nailbomb, Fear Factory... keine Frage, es gab eine Reihe von Künstlern, deren Wertschätzung unsererseits nicht spurlos an unseren Sound-Entwürfen vorbeigegangen ist.

Radio Goethe: Die deutsche Radiolandschaft ist alles andere als offen für Euren Sound. Wie kann man da als Band überleben?

Myk: In der Hoffnung, daß Industrial Metal eine neue Blütephase erfährt - und die Radiolandschaft überfluten wird. Eine unrealistische Zielsetzung, wie ich leider gestehen muß.

Radio Goethe: Wann können Euch Eure Fans diesseits und jenseits des Atlantiks wieder live sehen?

Myk: Momentan sind The Fair Sex wieder am Zug. Aber wer weiß? Vielleicht nächstes Jahr?


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